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Zum Tode Karl Pfeifers, Kämpfer wider Antisemitismus

Verantwortlicher Autor: Ronaldo Goldberger A - Wien, 08.01.2023, 22:08 Uhr
Presse-Ressort von: Ronaldo Goldberger Bericht 7290x gelesen

A - Wien [ENA] Mit dem Österreicher Karl Pfeifer verstarb am 06. Januar 2023 einer der herausragendsten journalistischen Kämpfer wider Faschismus und Antisemitismus. Als Überlebender von Hitlers Ausrottung der Juden Europas während der Schoah wusste er sehr wohl, über was er ohne Scheuklappen und unter Inkaufnahme schädlicher Anfeindungen zu dozieren hatte. Seine konzise Sprache und Unerschütterlichkeit waren legendär.

Nun ist er also auch in die ewigen Jagdgründe eingegangen, der so vielseitig begabte Journalist und Buchautor Karl Pfeifer, dessen Gedächtniskammern historische Archive beherbergten, auf die er in Sekundenbruchteilen zuzugreifen vermochte. Wessen Gehirnwindungen dermassen geschärft waren ob akribischen Festhaltens an Fakten, dem konnte man nichts vormachen in Sachen geschichtlicher Einordnung. Wenngleich einstens ideologisch auf der weltbeglückenden sozialistischen Schiene zu verorten, vermochte Pfeifer sehr wohl zu differenzieren: Nichts sei zu beschönigen, was unterm Segel einer idealtypischen Utopie geboren wurde, wenn die Umstände sich gewandelt hätten!

Der Kommentar hingegen sei frei, unterstrich der 1928 im österreichischen Baden Geborene. Was früher so einfach zu klassifizieren war, stünde im Zeichen des heutzutage vielfach belehrenden Haltungsjournalismus’ in scharfem Kontrast. Als wacher Geist hat Pfeifer zeitlebens eine antifaschistisch untermalte kämpferische Haltung zugunsten der Wahrheitsfindung an den Tag gelegt. So stand er mitunter zerrieben zwischen den Lagern, doch seinem Berufsethos blieb er zeitlebens treu.

Der Einsatz zugunsten des physischen Überlebens begann 1943 mit einer abenteuerlichen Flucht aus Budapest nach Palästina, das unter britischer Mandatsherrschaft stand. Pfeifer kämpfte in der Untergrundarmee Palmach, wurde in der Negev-Wüste verletzt, verblieb im Aktivdienst der neu gegründeten israelischen Verteidigungsarmee Zahal. 1951 kehrte er aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich zurück, verdingte sich als leitender Berufsmann im Hotelierwesen, war in diesem Bereich auch in Grossbritannien, der Schweiz, in den USA und sogar in Neuseeland zugange, schlitterte 1979 wie die Jungfrau zum Kind in den Journalismus, dem er bis zu Ende seines bewegten Lebens treu blieb.

Pfeifer scheute keine Mühen, selbst gerichtlich gegen nazistische Wiederbetätigung in seinem Heimatland vorzugehen. Mit seinem unbeirrbaren Vorgehen als sich selbst treuer Zeitgenosse, der der inneren und belegbaren Wahrheit zuliebe in niemandes Windschatten segeln wollte, gehörte Pfeifer zu einem immer rarer werdenden Auslaufmodell. Doch der verheiratete Pfeifer strotzte vor Lebenslust, genoss sinnliche Momente, richtete sich aus für weitere Jahre aktiven Sich-Einbringens im publizistischen Umfeld.

Zu ringen mit der Unliebsamkeit eines gesellschaftlich unter der Naziherrschaft Ausgestossenen lernte er schon sehr früh in seiner Geburtsstadt Baden, als er als Zehnjähriger von vier Hitlerbuben auf dem Heimweg von der Schule abgepasst und gewürgt wurde. Pfeifers kontrast- sowie sorgenreicher Blick auf Geschehnisse auch in Frankreich, wo man, wie in Österreich, mit dem politischen Islam sich anlegen muss, hinderte ihn nicht daran, anzuerkennen, dass nazistische Ideologie, um Wählerschaft zu rekrutieren oder zumindest nicht vor den Kopf zu stossen, der Vergangenheit angehört. Österreichs Politiker von heute entstammten einer Generation, die in den Schulen Zeitzeugen des Holocausts begegnet seien, was sie augenscheinlich geprägt hätten.

Pfeifer scheute sich nicht, ungeachtet seines zarten Alters, die Funktion eines geschichtlichen Zeugen nach wie vor in verschiedenen Gremien wahrzunehmen. Der agile Berufsmann bevorzugte solcherlei Aufträge um einige Grade mehr, als Ruhekissen und weich gepolsterte Schaukelstühle für sich zu beanspruchen. 2008 ist ein anderthalbstündiger Dokumentarfilm mit dem Titel „Somehow in Between“ über Pfeifers Vita erschienen. Er kann mittelst nachfolgender Verknüpfung über die Videoplattform Vimeo abgerufen werden: https://vimeo.com/124834106

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