Banges Warten auf Vielfrontenkrieg in Israel
Tel Aviv [ENA] Niemand kann mit Bestimmtheit voraussagen, wie der Verlauf eines apokalyptisch anmutenden Vielfrontenkrieges gegen den kleinen jüdischen Staat sein wird. Doch praktisch alle in Israel sind sich bewusst, dass er demnächst ausbrechen werde. Das Unheil droht aus allen Himmelsrichtungen. Von den mit modernsten Waffen ausgerüsteten iranischen Terrormilizen ist Hizbolla im Libanon der gefährlichste Gegner im Solde Irans.
Alle Zeichen stehen auf Sturm: 12 amerikanische Kriegsschiffe kreisen im Mittelmeer, Jordanien hat – wie schon am 13. April, bevor Iran 350 Raketen und Selbstmorddrohnen nach Israel abfeuerte – seinen Luftraum gesperrt. Der iranische Luftwaffenkommandant, General Hajizadeh, begab sich zu einer Raketenbasis in der Provinz Kermanshah an der irakischen Grenze. Iran orientierte die Vereinigten Nationen unter Berufung auf den Artikel 51 der UNO-Charta, er würde im Rahmen von Selbstverteidigung Israel mit Vergeltungsaktionen überziehen. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres stimmte diesem Ansinnen zu. Unterdessen untersagte Israel sämtliche Bewegungen in der Luft im Norden des Landes von der Mittelmeerstadt Hadera an aufwärts.
Nach der Liquidierung von Ismail Haniye, Chef des Politbüros der Terrororganisation Hamas im Ausland, durch eine gemäss New York Times im Gästehaus von Teheran abgelegte Bombe, herrscht höchste Alarmstufe. Mit Fug und Recht fürchtet man sich von einem Sechsfrontenkrieg. Irans diverse Stellvertreter im Libanon, Syrien, Irak und Gazastreifen umzingelten Israel in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr. Auch die Rebellenarmee der Houtis im Jemen setzte Israel zunehmend mit Raketenterror aus 2000 km Entfernung unter Zugzwang. Zudem drohen Araber in Judäa und Samaria, die sich mehrheitlich der Hamas zuordnen, sowie Vertreter der sog. Palästinensischen Autonomie, der israelischen Bevölkerung unverhohlen mit weiteren Massakern wie am 7. Oktober.
Der israelischen Bevölkerung wurde in den vergangenen Wochen vom Kommando der "Heimatfront" klargemacht, sie müsse damit rechnen, längere Zeit in Luftschutzkellern Unterschlupf zu finden. Gemäss Behördenangaben wurden in exponierten Landesteilen Verteilzentren definiert, die ein gewisses Mass an Sicherheit beim Einkauf von Nahrungsmitteln gewährleisten sollten. In vielen Gemeinden wurden die Bewohner aufgefordert, keiner Ansammlung von Menschen beizuwohnen, sich nicht unnötig im Freien aufzuhalten bzw. in unmittelbarer Nähe von Schutzräumen zu weilen.
Nachdem der internationale Flugverkehr zu einem bedeutsamen Teil zum Erliegen kam, gibt es praktisch keine Fluchtmöglichkeiten mehr ins Ausland. Ausreisewillige sollten die letzten fahrplanmässigen Flüge keineswegs verpassen. Insider versuchten auszuloten, wo es für jüdische Israeli im Ausland überhaupt noch sichere Orte gebe. Es scheinen angesichts wachsender Judenfeindschaft, die sich auch in Mord- und Totschlag äussert, nicht viele Alternativen vorhanden zu sein. Verschiedentlich wurden ländliche Gegenden in Rumänien, Nordmazedonien sowie Serbien und Montenegro genannt.
Scheinbar soll seit den grässlichen Hamas-Massakern in der westlichen Negev-Wüste, bei der 1200 Zivilisten umgebracht wurden, eine halbe Mio. israelische Staatsbürger ausgereist sein, ohne zurückzukehren bislang. Man kann diese Absetzbewegung durchaus als vorsorgliche Flucht erkennen. Es gibt auch mehrere Hunderttausend Binnenflüchtlinge aus Städten und Dörfern rund um den Gazastreifen sowie im Landesnorden an der libanesischen Grenze, die seit 10 Monaten nicht in ihre Häuser zurückkehren können. 60'000 Menschen aus 43 Siedlungen im Galiläa wurden von der Regierung aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Manche haben ausgeharrt, zogen aber später nach. In der Stadt Kiryat Schmona z.B. verblieben von 24'000 Bewohnern bloss noch deren 3000.
Die grösste Angst Israels ist, dass Präzisionsraketen und Lenkflugkörper die oberirdische Infrastruktur des Landes – Elektrizitäts- und Wasserwerke, Flughäfen, Getreidesilos, Häfen, Militäranlagen etc. – zugrunde richten. Allein die Hisbolla hat rund 250'000 Raketen im Arsenal. Viele Tausende von ihnen wurden breitflächig auf ganz Galiläa abgefeuert – tagtäglich! Waldbrände konnten nicht gelöscht werden, Felder wurden zerstört, leerstehende und noch bewohnte Häuser in Schutt und Asche geschossen. Etliche Bewohner verkauften Hab und Gut. Sie haben den Glauben an eine Rückkehr verloren. An ein normales Leben ist unter diesen Umständen nicht mehr zu denken. Ewiges Herumhängen in zur Verfügung gestellten Hotelzimmer ist nicht zukunftsträchtig.
Grosse Ängste beschleichen die Israelis: Ihre Armee wurde seit 25 Jahren radikal verkleinert. Man vertraute auf elektronische Kriegsführung, stellt nun aber fest, dass die verschrotteten Panzer an allen Ecken und Enden fehlen. Für das bergige Gelände im Libanon verfügt man nicht über die geeigneten Fahrzeuge, die stehende Armee von etwa 180'000 Mann und Frau ist viel zu schmächtig für Mehrfrontenkriege. Wohl haben 400'000 Einberufene Reservisten im Gazastreifen Aktivdienst versehen; es kam nicht zu Kriegsdienstverweigerungen, wie dies progressive Kreise – v.a. aus dem Ausland bezahlte Nichtregierungsorganisationen, die jede Woche in Tel Aviv in der Kaplan-Strasse demonstrieren – forderten. Die Luftwaffe ist das einzige Prunkstück der Armee.
Es braucht enorm viele seelische Kräfte, damit die heterogene, teilweise zerrissene Gesellschaft, nicht verzweifelt. Die Abfolge von Kriegen, denen sich Israel bislang gegenübersah, um seinen puren Bestand abzusichern, ist legendär. Die fortwährende Feindschaft der arabischen Umgebung verhindert eine Stabilisierung. Die Rechte der jüdischen Ureinwohner werden international oftmals geächtet, sogar Selbstverteidigungsrechte sind Verhandlungssache. Die schiere Existenz des jüdischen Staates steht bereits zum dritten Mal in seiner territorialen Geschichte vor Ort – mit der Zerstörung des ersten und zweiten Tempels durch die Babylonier und Römer verschwanden die damals existierenden jüdischen Staaten – in reeller Gefahr.