Israels Armee mit reduzierter Schlagkraft
Tel Aviv [ENA] Sie sei kastriert, nachlässig, faul, dumm und beruflich unfähig. Sie habe ihre Werte verraten, eine ganze Generation herangezogen, die getrimmt worden sei, die jüdischen Werte zu verachten und die nationale Identität zu verwässern. Seit drei Dezennien sei sie gar "osloid" – ein Hinweis auf fatale Fehlleistungen im Zuge der Oslo-Abkommen mit den Palästinensern, was sich spätestens in der Nacht zum 7.10. gerächt habe.
Der langjährige Forscher und Militärexperte Evjatar ben Zadaf geizt nicht mit harschen Worten, obwohl er in einem prozionistischen, somit national ausgerichteten israelischen Sender – dem unabhängigen Kanal "Arutz Tov" – interviewt wird. Er beleuchtet die Ereignisse im Zusammenhang mit den Massakern an vornehmlich jüdischen Israelis, die vor Jahresfrist die islamische Terrorarmee Hamas, der Islamische Djihad sowie Zivilisten und zugewandte Orte – unter ihnen Angestellte der UNRWA, einer UNO-Unterorganisation für palästinensische Flüchtlinge – durchgeführt haben. Insgesamt waren über 6000 Mann an den gut dokumentierten Gemetzeln, dem 1200 Israelis zum Opfer fielen und im Zuge dessen 250 Geiseln nach Gaza verschleppt wurden, beteiligt
Israels Armee habe die Bevölkerung aus "ideologischen Gründen" nicht geschützt, wirft E. ben Zadaf, der 1968 als Rekrut mobilisiert wurde und seither aus der Beobachterrolle von jemandem, der selber an Schlachten beteiligt war, fast getötet wurde, aber auch zu töten gezwungen war, unumwunden der Armeespitze, also den Generälen, nicht den hingebungsvollen Kämpfern im Felde, vor. Man habe armeeseitig eine Erziehungsarbeit vollzogen, die während 30 Jahren die gesetzlich Rekrutierten in eine ideologisch unhaltbare Falle gelockt habe. Man sprach aus humanitären Gründen von der "Reinheit der Waffen", obschon Waffen grundsätzlich dreckig seien, man habe eine Kultur der justiziellen Oberaufsicht installiert, die Schiessen praktisch verunmöglicht.
Nichts habe der israelische Militärapparat dazugelernt seit einem halben Jahrhundert. Bereits 1973 sei man vom Ausbruch des Jom Kippur-Krieges, als Ägypten und Syrien Israel attackierten, überrascht worden. Die armeeinterne Koordinationslosigkeit habe sich im nachgelagerten Verschleisskrieg mit Ägypten am Suezkanal fatal ausgewirkt. Als grobfahrlässige vorletzte Fehleinschätzung sei zu gewichten, dass 2021 im Krieg mit Hamas der Inlandgeheimdienst Schabak "vergessen" habe, die Polizei darüber zu informieren, dass israelische Araber in gemischten Städten wie Lod, Ramle, Haifa und Akko gewalttätige Unruhen vom Stapel lassen würden. Die Handlungsunfähigkeit und mangelnde Bereitschaft zur Verteidigung hätten sich bis heute nicht gelegt.
Die in Konzepten gefangene israelische Armeespitze habe ihren Auftrag verwirkt. Die IDF wurde innert 20 Jahren um zwei Drittel ihrer Mannschaftsstärke gekürzt. Der Abbau betraf die Ausrüstung der Bodentruppen, Panzer wurden massenhaft stillgelegt, gar abgewrackt. Dienstleistungen wurden an Privatfirmen ausgelagert, was dazu geführt habe, dass im Notfall korrekte Abläufe auf den Goodwill von Auswärtigen angewiesen seien. Sämtliche Fahrer z.B. seien Araber, die notfalls nicht an die Front fahren. Die Unfähigkeit Israels, einen Mehrfrontenkrieg durchzustehen, beeinflusse die Schlagkraft, da man strategisch taktieren müsse. Einzig die Flugwaffe sei intakt, wenngleich die erforderlichen Dienstleistungen nicht vollständig erbracht werden können.
Statt dafür zu sorgen, dass der für milliardenschweres Steuergeld erkaufte Armeeauftrag bewältigt wird, sorgte man sich um die Ausweitung fetter Ruhestandsgelder. Man vergriff sich an den dem Judentum innerlich zugetanen Soldaten, blockierte bei sich religiös Definierenden die Karriere. Dabei seien die national-religiös orientierten Soldaten die motiviertesten in den Kampftruppen, wie man jetzt allmählich bereit ist, anzuerkennen. Die "kleine und smarte Armee", die als Statthalter-Slogan für die ausgedünnten IDF-Einheiten dienen sollte, weil sie sich mit Bedacht, fast schon abergläubisch an unendliches, unbezwingbares Können dank Segnung der oft in eigenen Reihen erfundenen Wunder der Elektronik verlassen wollte, hat ausgedient.
Mit einer grösseren Personaldecke und adäquaten Ausrüstungen war man in der Not fähig, Mehrfrontenkriege zu bewältigen. Doch mit dem Irrglauben, dass weniger mehr ist, hat man sich dermassen vertan, dass nicht einmal die Vorstellung, man müsse vorausplanen, wie man vorgehe, wenn sämtliche Stricke reissen, vorhanden gewesen sein muss. Wie anders ist es zu erklären, dass Hamas in einer ersten Welle des Durchbruchs am Morgen des 7. Oktobers mit 3800 Terroristen der Eliteeinheit "Nukhba" an 119 Stellen den elektronisch gesicherten und bis in die Tiefe geschützten Zaun um den Gazastreifen in die westliche Negev-Wüste durchbrachen und sich in einer Spannweite von 60 km in ein paar Dutzend Ortschaften, darunter zwei Städten, mordend betätigten?
Wie ist erklärbar, dass alle Zeichen übersehen wurden, die darauf hindeuteten, dass Hamas diesmal operativ sein werde, nachdem zwei Jahre aus taktischen Gründen die Israelis im Irrglauben gelassen wurden, die Hamas führe zwar im Blickfeld der sie militärisch Beobachtenden Manöver durch, seien jedoch nicht an einer darüber hinaus weiterführenden Eskalation interessiert? Wie ist erklärbar, dass vor Mitternacht des Vortags registriert wurde, dass gleichzeitig tausendfach neue SIM-Karten eingesetzt wurden, die israelisches Territorium abdeckten? Wie ist erklärbar, dass, wie Überlebende der Massaker in den Kibbuzim Nir Oz und Be'eri erzählten, während 12-14 Stunden, als die Ermordungen voll im Gange waren, jeglicher Militäreinsatz ausblieb?
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass ein Bereitschaftstrupp mangels Erlaubnis durch die Armeespitze den in Todesgefahr Schwebenden nicht zu Hilfe eilen durfte. Unglaublich viele zivile Einzelkämpfer, die die Bedrängten aus der Not befreien wollten, eilten aus eigenem Antrieb selbst aus grösserer Entfernung unter Inkaufnahme von Lebensgefahr herbei und leisteten Erstaunliches. Mancher bezahlte mit seinem Leben, selbst wenn er Leute in Sicherheit zu bringen vermochte. Verwunderlich ist es, dass die Kommandostrukturen der israelischen Armee, einschliesslich der Späherabteilungen, unmittelbar an der Grenze stationiert waren, statt dezentral. Die Grenzbeobachtungen hätte man auch von der Wüstenhauptstadt Beer Sheva aus machen können.
Die Beobachterinnen am Grenzzaun warnten ihre Vorgesetzten fortwährend, auch lange vor dem Massaker, über verdächtige Bewegungen, wurden aber nicht ernst genommen. Man drohte ihnen gar mit Militärknast, wenn sie nicht die Verlautbarung ihre Beobachtungen erheblich reduzierten. Die jungen Frauen, "Tazpitanijot" genannt, wurden als Erste von den mit Captagon aufgeputschten Hamas-Schlächtern ermordet. Kaum eine blieb übrig für Zeugenaussagen. Ebenfalls unerklärlich ist nicht nur der Unterbestand der für die Sicherung an der Grenze verantwortlichen Soldaten der Aza-Brigade, sondern die Tatsache, dass man keine Wachen abstellte. Mehrere Hundert Soldaten wurden im Schlaf überrascht, scheinbar von Söldnern umgebracht, die bereits im Land waren.
Untersuchungen der ungeheuren Fehlleistungen dürften schwierig werden, da die Justizbehörden in Israel ein Teil des inhärenten Grundproblems darstellten. Sie sind Partei und sorgen sich primär für "progressive" Anliegen der Armeegewaltigen. Die sog. Justizberaterin, die auch an allen Regierungssitzungen zugegen ist, hat die Angewohnheit ihrer Vorgänger übernommen, selbstherrlich Verfügungen zu erlassen, die die operationellen Vorgehensweisen der Armeekämpfer an der Front beeinträchtigen. Zuvorderst ist die Erlaubnis zum Schiessbefehl dermassen eingeschränkt, dass die Frontkämpfer lieber Risiken auf sich nehmen, als nach Erschiessung eines Terroristen ohne Schiesserlaubnis gewärtigen zu müssen, dass man sie des vorsätzlichen "Mordes" zeiht.
Eine Justizberaterin als Quasi-Oberbefehlshaberin im Nacken ist bloss die Spitze eines Eisbergs von Unzulänglichkeiten, mit denen sich die israelische Armee derzeit herumschlägt. Bis Ende der 70er Jahre galt ein eisernes Prinzip, dass jegliche Ortschaft in Israel über eine sogar mit Antitank-Raketen ausstaffierte bewaffnete Bereitschaftstruppe verfügen musste, die notfalls zur unabhängigen Selbstverteidigung in der Lage wäre. In letzter Zeit hat man die Waffenherausgabe äusserst eingeschränkt, obschon im Kampfe gegen den alltäglichen Terror auf Israels Strassen des Öfteren Zivilisten Angreifer zu neutralisieren vermochten. Nun sei angesagt, fordert Evjatar ben Zadaf, dass alle Leuten mit einem einwandfreien Leumund sich bewaffnen dürften.
Im Resümee kommt der Kritiker der IDF zum Schluss, dass in der Armee ganz offensichtlich Verräter sich eingenistet hätten, die eine konzeptionelle Agenda verfolgten, welche die Verteidigungsfähigkeit bis zur Unkenntlichkeit herabsetzte. Es gäbe keine andere Erklärung für diesen Umstand, denn früher galt die eiserne Devise, wonach gemäss jüdischer Moralvorstellung zu gelten habe, dass getötet werde, bevor der Feind sich anschickt, Juden umzubringen. Diesem Bestand alter Tradition, dem bereits die unter Waffen stehenden Israeliten vor Tausenden von Jahren in biblischen Gefilden Gehör schenkten, scheint auf dem Altar politischer Korrektheiten in kritischer Gegenwart geopfert worden zu sein.
Evjatar plädiert dafür, dass Israel mit Unerbittlichkeit den hauseigenen Terror ausrotte, so wie dies Griechenland und Sri Lanka mit Erfolg geschafft hätten. Und schliesslich, dass der israelische Generalstab vorsorglicherweise in Untersuchungshaft genommen würde, bis seine möglicherweise schuldhaften Anteile am Desaster des Massakers vom 7. Oktober geklärt seien.